Implantateregister zwischen Dokumentationspflicht und Praxis: Wo stehen wir wirklich?
Wie gelingt der Spagat zwischen gesetzlicher Dokumentationspflicht und klinischer Umsetzbarkeit? Diese zentrale Frage stand im Mittelpunkt des Roundtable-Workshops „Implantateregister – zwischen Dokumentationspflicht und Praxis“ beim Prospitalia Kongress 2025 in Frankfurt.
Während der Kongress über 700 Expert:innen aus Kliniken, Industrie, Politik, Verbänden und der Prospitalia zusammenbrachte, bot der Workshop rund 50 Fachteilnehmer:innen eine Plattform für intensive Diskussionen, fundierte Einschätzungen und praxisnahe Lösungsansätze. Mit klarer Struktur und konsequentem Praxisfokus moderierte Nils Koch (SRH Gesundheit) durch die Session.
Impulsvortrag: EPRD und IRD im Überblick
Zum Auftakt gab Alexander Grimberg, Leiter Medizin beim Endoprothesenregister Deutschland (EPRD), einen kompakten Überblick zur Entwicklung und zum aktuellen Stand von EPRD und dem neuen Implantateregister Deutschland (IRD). Drei zentrale Erkenntnisse wurden besonders deutlich:
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Redundanzen statt Synergien:
Trotz über einem Jahrzehnt Erfahrung mit dem EPRD wurde das IRD weitgehend neu konzipiert. Potenzielle Synergien mit bestehenden Strukturen blieben bislang ungenutzt. -
Datenlage im Aufbau:
Die Produktdatenbank des IRD ist noch unvollständig. Einheitliche Klassifikationen fehlen ebenso wie ein strukturierter Rückkanal zur Klinik – beides Voraussetzungen für eine verlässliche Datennutzung. -
Neue Schnittstellen schaffen Hoffnung:
Die im Oktober 2024 eingeführte EPRD-Übergabeschnittstelle zeigt, dass technische Automatisierung möglich ist. Erste KIS-Anbieter unterstützen den Datentransfer bereits aktiv.
Perspektivenvielfalt im Dialog
Im Anschluss diskutierten Expert:innen aus Klinik, Registerwesen und Industrie die praktische Umsetzung des Implantateregisters aus unterschiedlichen Perspektiven. Zu den Diskutierenden zählten unter anderem Michaela Berlich, Marc Michel, Dr. Thomas Randau, Alexander Grimberg und Niels von Bothmer. Im Verlauf der Diskussion kristallisierten sich sechs Handlungsimpulse heraus, die für den weiteren Erfolg des IRD zentral sein dürften:
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Klinische Realität berücksichtigen
Die aktuellen Anforderungen des IRD werden der gelebten Praxis vieler Kliniken nicht gerecht. Es fehlen Ressourcen, interdisziplinäre Teams und belastbare IT-Schnittstellen. Die Umsetzung muss sich stärker an den realen Gegebenheiten vor Ort orientieren. -
Datenqualität braucht Struktur
Ein Register kann nur dann Wirkung entfalten, wenn die Qualität der zugrunde liegenden Daten stimmt. Dafür braucht es klare Schnittstellen, definierte Verantwortlichkeiten und die Möglichkeit, bereits vorhandene Datenquellen sinnvoll zu integrieren. -
Synergien statt Parallelstrukturen
Das EPRD hat sich in vielen Aspekten bewährt. Diese Erfahrungen sollten aktiv einbezogen werden, anstatt neue, redundante Systeme aufzubauen, die zusätzliche Ressourcen binden. -
Systematische Erfassung als Chance
Ein vollständiges, strukturiertes Register kann dazu beitragen, Behandlungsstandards zu verbessern, Implantatsysteme weiterzuentwickeln und Revisionsraten nachhaltig zu senken – ein klarer Mehrwert für Patient:innen und das Gesundheitssystem. -
Fragmentierung vermeiden
Ohne durchgängige digitale Prozessketten, klare Datenwege und technische Interoperabilität leidet die Qualität der Erhebung – mit spürbaren Folgen für Patientensicherheit und Versorgung. -
Mehrwert durch Ergebnisorientierung
Ein zukunftsfähiges Register muss mehr bieten als bloße Mengenstatistik. Daten zu Standzeiten, Revisionsgründen und patientenbezogene Ergebnisse (PROMS) sind unerlässlich für Transparenz, Qualitätssicherung und evidenzbasierte Weiterentwicklung.
Fazit: Praxisnähe, Interoperabilität und Zusammenarbeit als Erfolgsfaktoren
Das Implantateregister Deutschland (IRD) hat das Potenzial, ein wirksamer Hebel für mehr Qualität und Patientensicherheit zu werden – vorausgesetzt, es wird praxisnah, interoperabel und im Schulterschluss mit allen Beteiligten gestaltet. Technische Umsetzbarkeit, klare Prozesse und sektorübergreifende Kooperation bilden die Grundlage für eine erfolgreiche Weiterentwicklung.
Ein herzliches Dankeschön an alle Referent:innen und Mitdiskutierenden für den engagierten, konstruktiven Austausch – ein starker Impuls für die gemeinsame Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen!